Mal ganz offen gesprochen: momentan sieht es nicht allzu gut aus für das Überleben der Menschheit. Und dabei spreche ich nicht von der Corona-Pandemie, die derzeit alle Welt beschäftigt. Ja, sie ist eine große Herausforderung und bringt vielen Menschen Probleme, aber eine existenzbedrohende Katastrophe ist sie nicht. Wie beiläufig häufen sich währenddessen die Warnrufe von Wissenschaftlern und Umweltschützern, dass unter allen denkbaren Szenarien für die weitere Entwicklung des Klimas und der Umweltzerstörung diejenigen am wahrscheinlichsten sind, die für das Weiterleben des Menschen auf der Erde eine ernste Gefahr darstellen. Wir leben in einem geschlossenen Ökosystem, aus dem wir nicht einfach weglaufen können. Und dieses System hat bestimmte Naturgesetze und Mechanismen, die nicht missachtet werden können, ohne dass das schwerwiegende Folgen hat. Ich habe es seit schon oft gesagt und geschrieben (das erste Mal in einem Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl Ende der 80er Jahre): die Natur braucht uns nicht. Mit Sicherheit bleibt nach aller Zerstörung, die wir Menschen anrichten können, genug übrig, um weiteres Leben auf der Erde zu ermöglichen. Für uns selbst wird das aber nicht reichen. Wir sind eine zwar recht anpassungsfähige, aber sehr komplexe Lebensform, die zum Überleben ganz bestimmte Umweltbedingungen braucht.
Was können wir also tun? Sollten wir sagen „es ist ohnehin
zu spät“ und uns noch einige Jahrzehnte fröhlichen Dahinlebens vor dem
Untergang gönnen? Oder sollen wir es drauf ankommen lassen? Vielleicht haben
wir ja Glück, haben den Sechser im Lotto, und es passiert nichts? Das wären doch
sehr simple Lösungen, die einer angeblich intelligenten Lebensform unwürdig sind,
und noch dazu dem Überlebensinstinkt (den wir alle noch in uns tragen)
grundsätzlich widersprechen. Wir können mehr! Wir sind mit Gehirnen
ausgestattet, die zu großen Leistungen fähig sind. Haben noch dazu vielfältige
Gefühle, ein detailreiches Sozialverhalten, zahllose über Jahrtausende
gewachsene Erfindungen und Technologien, und nicht zuletzt ein starkes
Selbstbewusstsein. Leider sind wir trotz all dem in die Irre gelaufen. Seitdem
in der „westlichen Welt“ die Aufklärung die Moralvorstellungen in Frage
gestellt und der Forschung Auftrieb gegeben, die Medizin für ein starkes
Bevölkerungswachstum in kurzer Zeit gesorgt, die Industrialisierung das
Ausbeuten der Ressourcen stark vereinfacht, und die Kolonialisierung all das
weltweit verbreitet hat, beschädigen wir unsere eigenen Lebensgrundlagen
massiv. Dazu kamen schließlich als „Brandbeschleuniger“ noch die freie
Marktwirtschaft und der Kapitalismus, die alles Wirtschaften auf Wachstum und
Profit ausgerichtet haben. Welchen Schaden wir damit für unsere Zukunft
anrichten, das haben wir zu spät realisiert. Seitdem wir es realisiert haben,
haben wir zu zögerlich reagiert, weil wir zu oft befürchten, den gewonnenen
Luxus und Überfluss zu verlieren. Wir müssen nun aber einsehen, dass es so
nicht weitergeht. Wir müssen jetzt den Mut und die Kraft aufbringen, uns
wirklich weiterzuentwickeln. Es ist Zeit für echten Fortschritt.
Wie können wir das erreichen? Dazu müssen wir demütiger und
hochmütiger werden. Das klingt nach einem Widerspruch. Es folgt die Erklärung.
Die Welt, in der wir leben, ist für uns größtenteils ein
Mysterium. Es gibt viel mehr, das wir nicht wissen und verstehen, als was wir
mit unserem Verstand und Forschergeist erkennen können. Raum und Zeit, das
Leben, unser Dasein, das ganze Universum, sind uns letztlich ein Rätsel. Wir
sind winzige Figuren in einer riesigen Welt. Und wir sind von all den komplexen
Zusammenhängen in dieser Welt abhängig. Daher müssen wir Demut haben gegenüber
der Welt, die wir kaum verstehen, und gegenüber der Natur, deren Bestandteil
wir sind und die unser Überleben sichert. Wir müssen aufhören, uns als
Beherrscher und Gestalter zu sehen, und müssen wieder mehr Bewunderer und
Diener unserer Umwelt werden, müssen allem, was ist und lebt, wieder mehr
Heiligkeit zusprechen und uns dementsprechend verhalten. Das gilt auch für
unseren Umgang miteinander. Jeder Mensch ist ein Wesen mit Stärken und
Schwächen, mit Vorzügen und Fehlern, keiner ist mehr wert als der andere. Das
müssen wir uns immer aufs Neue bewusst machen. Das führt zu echtem Fortschritt.
Auf der anderen Seite müssen wir uns darüber bewusst werden,
dass wir mit all den Fähigkeiten, die wir haben, zu deutlich mehr in der Lage
sind. Jeder einzelne, und die ganze menschliche Gemeinschaft auf dem Planeten
Erde, sollte jeden Tag aufs Neue versuchen, sich zu übertreffen und Dinge
besser zu machen als am Tag zuvor. Das können winzige Kleinigkeiten sein, in
der Gesamtheit bringt uns das auf eine neue Höhe unserer Entwicklung. Das ist
es, was ich mit „hochmütiger werden“ meine. Wir sollten viel mehr den Willen
haben, ein edles, starkes Volk zu sein, das mit seinem Leben und dessen
Grundlagen vernünftig, weise und liebevoll umgeht. So, als ob uns jemand
beobachten würde und am Ende Noten verteilt. Für religiöse Menschen ist das oft
eine Selbstverständlichkeit, andere müssen es noch erlernen. Dabei kann man
auch durchaus selbst der eigene Beobachter sein. Bei Gruppen oder staatlichen
Einrichtungen übernimmt die Gemeinschaft diese Rolle.
Das alles erfordert viel Anstrengung, viel Mut, und bedeutet
viele Veränderungen. Aber nur so haben wir eine Chance, so können wir
erreichen, dass die Generationen nach uns mit Respekt und Hochachtung auf uns
schauen, statt uns die Verantwortung für die zerstörte Welt zu geben, in der
sie ihr hartes Dasein mit Ausblick auf ein nahes Ende fristen müssen. Es ist
keine Zeit mehr für lange Diskussionen, wir müssen schnell handeln, und alle müssen
dabei helfen. Niemand ist machtlos, jeder kann seinen Teil beitragen. Dann
schaffen wir den gemeinsamen Aufbruch in eine glanzvolle statt in eine düstere
Zukunft, dann erweisen wir uns unserer Intelligenz und unserer Fähigkeiten als
würdig.